Präambel RL 2009/71/Euratom

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 31 und 32,

auf Vorschlag der Kommission, der nach Stellungnahme der Gruppe der vom Ausschuss für Wissenschaft und Technik bestellten wissenschaftlichen Sachverständigen der Mitgliedstaaten ausgearbeitet worden ist, und nach Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses(1),

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments(2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Artikel 2 Buchstabe b des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (nachstehend „der Vertrag” genannt) sieht vor, dass einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung festgelegt werden.
(2)
Artikel 30 des Vertrags sieht vor, dass in der Gemeinschaft Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt werden.
(3)
Mit der Richtlinie 96/29/Euratom des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen(3) werden die Grundnormen für die Sicherheit festgesetzt. Die Bestimmungen jener Richtlinie wurden durch speziellere Rechtsvorschriften ergänzt.
(4)
In der Rechtsprechung(4) des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend „Gerichtshof” genannt) wird anerkannt, dass die Gemeinschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedstaaten für unter das Übereinkommen über nukleare Sicherheit fallende Bereiche(5) zuständig ist.
(5)
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird anerkannt, dass die Bestimmungen des den Gesundheitsschutz betreffenden Kapitels 3 des Vertrags eine systematisch gegliederte Gesamtregelung bilden, durch die der Kommission relativ weitgehende Befugnisse zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt gegen die Risiken einer radioaktiven Verseuchung eingeräumt werden.
(6)
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird anerkannt, dass die der Gemeinschaft durch Artikel 2 Buchstabe b des Vertrags auferlegte Aufgabe, einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufzustellen, nicht bedeutet, dass ein Mitgliedstaat nach deren Festlegung keine weitergehenden Schutzmaßnahmen vorsehen könnte.
(7)
Mit der Entscheidung 87/600/Euratom des Rates vom 14. Dezember 1987 über Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation(6) wurde ein Rahmen für die Benachrichtigung und die Bereitstellung von Informationen aufgestellt, den die Mitgliedstaaten anzuwenden haben, um die Bevölkerung im Falle eines radiologischen Notstands zu schützen. Die Richtlinie 89/618/Euratom des Rates vom 27. November 1989 über die Unterrichtung der Bevölkerung über die bei einer radiologischen Notstandssituation geltenden Verhaltensmaßregeln und zu ergreifenden Gesundheitsschutzmaßnahmen(7) verpflichtete die Mitgliedstaaten zur Unterrichtung der Bevölkerung im Fall eines radiologischen Notstands.
(8)
Die einzelstaatliche Verantwortung der Mitgliedstaaten für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen ist das Grundprinzip, auf dem die Regelung der nuklearen Sicherheit auf internationaler Ebene entwickelt worden ist und die im Übereinkommen über nukleare Sicherheit bekräftigt wird. Dieses Prinzip der einzelstaatlichen Verantwortung sowie das Prinzip der in erster Linie beim Genehmigungsinhaber liegenden Verantwortung für die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage unter der Kontrolle der nationalen Regulierungsbehörde sollten mit dieser Richtlinie ebenso gestärkt werden wie die Rolle und die Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörden.
(9)
Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit den entsprechenden nationalen Strategien über seinen Energiemix entscheiden.
(10)
Bei der Schaffung des angemessenen nationalen Rahmens gemäß dieser Richtlinie wird einzelstaatlichen Umständen Rechnung getragen.
(11)
Die Mitgliedstaaten haben bereits Maßnahmen umgesetzt, durch die es ihnen möglich ist, ein hohes Maß an nuklearer Sicherheit innerhalb der Gemeinschaft zu erreichen.
(12)
Auch wenn die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen im Mittelpunkt dieser Richtlinie steht, ist es auch wichtig, dass eine sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, auch bei Zwischen- und Endlagerungen, gewährleistet wird.
(13)
Die Mitgliedstaaten sollten, wenn angebracht, die einschlägigen Sicherheitsgrundsätze der Internationalen Atomenergie-Organisation(8) in Betracht ziehen, die einen Rahmen für Vorgehensweisen bilden sollten, die die Mitgliedstaaten beachten sollten, wenn sie diese Richtlinie umsetzen.
(14)
Es ist zweckmäßig, den Prozess fortzuführen, nach dem die nationalen Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten, die Kernkraftwerke in ihrem Hoheitsgebiet haben, im Rahmen des Verbandes der westeuropäischen Aufsichtsbehörden im Nuklearbereich (WENRA) zusammengearbeitet und zahlreiche Sicherheitsreferenzniveaus für Leistungsreaktoren festgelegt haben.
(15)
Der Rat hatte in seinen Schlussfolgerungen vom 8. Mai 2007 über die nukleare Sicherheit und die Sicherheit der Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle dazu aufgefordert, eine hochrangige Gruppe auf EU-Ebene einzusetzen; daraufhin wurde mit dem Beschluss 2007/530/Euratom der Kommission vom 17. Juli 2007 zur Einsetzung der Europäischen hochrangigen Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung(9) die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (European Nuclear Safety Regulators Group — ENSREG) eingesetzt, die zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit beitragen soll.
(16)
Es ist zweckmäßig, eine einheitliche Struktur für die Berichte der Mitgliedstaaten an die Kommission über die Umsetzung dieser Richtlinie zu erstellen. Angesichts der umfangreichen Erfahrung ihrer Mitglieder könnte die ENSREG einen wertvollen Beitrag hierzu leisten und dadurch die Konsultation und die Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden erleichtern.
(17)
Die ENSREG hat in ihrer 5. Sitzung am 15. Oktober 2008 zehn Grundsätze angenommen, die anzuwenden sind, wenn eine Richtlinie über nukleare Sicherheit ausgearbeitet wird (siehe Protokoll der Gruppe vom 20. November 2008).
(18)
Fortschritte im Bereich der Kerntechnik, Betriebserfahrung und Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung sowie Verbesserungen am regulatorischen Rahmen könnten potenziell die Sicherheit weiter verbessern. Die Mitgliedstaaten sollten im Einklang mit ihrem Bekenntnis zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Sicherheit diesen Aspekten Rechnung tragen, wenn sie ihre Kernenergieprogramme ausbauen oder sich erstmals für die Nutzung der Kernenergie entscheiden.
(19)
Die Etablierung einer ausgeprägten Sicherheitskultur in einer kerntechnischen Anlage ist einer der wesentlichsten Sicherheitsmanagementgrundsätze, die für einen sicheren Betrieb der Anlage erforderlich sind.
(20)
Die Wahrung und der Ausbau von Kenntnissen und Fähigkeiten im Bereich der nuklearen Sicherheit sollten unter anderem auf einem Lernprozess aufbauen, der sich auf vorliegende Betriebserfahrung und die Nutzung methodologischer und wissenschaftlicher Entwicklungen stützt, soweit angemessen.
(21)
In der Vergangenheit wurden in den Mitgliedstaaten Selbstbewertungen in enger Verbindung mit Prüfungen durch internationale Experten unter Federführung der IAEO (als Missionen des Internationalen Teams zur Überprüfung der Rechtsvorschriften (IRRT) oder des Integrierten Behördenüberprüfungsdienstes (IRRS)) durchgeführt. Die Durchführung dieser Selbstbewertungen und die Inanspruchnahme dieser Missionen durch die Mitgliedstaaten erfolgten auf freiwilliger Basis im Geiste von Offenheit und Transparenz. Selbstbewertungen und zugehörige Prüfungen durch Experten der Gesetzgebungs-, Vollzugs- und Organisationsinfrastruktur sollten auf die Stärkung und Verbesserung des nationalen Rahmens der Mitgliedstaaten abzielen, während gleichzeitig ihre Zuständigkeit für die Gewährleistung der nuklearen Sicherheit kerntechnischer Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet anerkannt wird. Selbstbewertungen und daran anschließende Prüfungen durch internationale Experten sind weder eine Inspektion noch ein Audit, sondern ein System des Voneinanderlernens, bei dem eine zuständige Regulierungsbehörde unterschiedliche Ansätze in Bezug auf Organisation und Vorgehensweisen verfolgen kann, wenn die regulatorischen und technischen Belange und die grundsätzliche Herangehensweise eines Mitgliedstaats geprüft werden, die dazu beitragen, ein starkes System für die nukleare Sicherheit zu gewährleisten. Prüfungen durch internationale Experten sollten als eine Gelegenheit betrachtet werden, berufliche Erfahrungen sowie gewonnene Erkenntnisse und bewährte Vorgehensweisen im Geiste der Offenheit und Zusammenarbeit auszutauschen, und zwar nicht durch Kontrolle oder Beurteilung, sondern durch Ratschläge von Experten. In Anerkennung des Bedarfs an Flexibilität und Zweckmäßigkeit bei den verschiedenen bestehenden Systemen in den Mitgliedstaaten sollte es einem Mitgliedstaat freistehen, die Elemente seines Systems zu bestimmen, zu denen eine spezifische Prüfung durch Experten mit dem Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit veranlasst wird.
(22)
Nach Nummer 34 der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung(10) sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, für ihre eigenen Zwecke und im Interesse der Gemeinschaft eigene Tabellen aufzustellen, aus denen im Rahmen des Möglichen die Entsprechungen zwischen dieser Richtlinie und den Umsetzungsmaßnahmen zu entnehmen sind, und diese zu veröffentlichen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

Stellungnahme vom 10. Juni 2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)

Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 22. April 2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)

ABl. L 159 vom 29.6.1996, S. 1.

(4)

C-187/87 (Slg. 1988, S. 5013), C-376/90 (Slg. 1992, I-6153) und C-29/99 (Slg. 2002, I-11221).

(5)

ABl. L 318 vom 11.12.1999, S. 21.

(6)

ABl. L 371 vom 30.12.1987, S. 76.

(7)

ABl. L 357 vom 7.12.1989, S. 31.

(8)

IAEA Safety Fundamentals: Fundamental safety principles, IAEA Safety Standard Series No SF-1 (2006).

(9)

ABl. L 195 vom 27.7.2007, S. 44.

(10)

ABl. C 321 vom 31.12.2003, S. 1.

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