Präambel VO (EG) 2000/823

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 479/92 des Rates vom 25. Februar 1992 über die Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 des Vertrages auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien)(1), geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, insbesondere auf Artikel 1,

nach Veröffentlichung des Entwurfs dieser Verordnung(2),

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen auf dem Gebiet des Seeverkehrs,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)
Die Kommission kann aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 479/92 das Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG-Vertrag gemäß Artikel 81 Absatz 3 für nicht anwendbar erklären auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen von Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien) betreffend die gemeinsame Wahrnehmung von Liniendiensten im Seeverkehr, die infolge der daraus resultierenden Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Schifffahrtsunternehmen geeignet sind, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Markts einzuschränken und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und die deshalb dem Verbot des Artikels 81 Absatz 1 unterliegen können.
(2)
Die Kommission hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und die Verordnung (EG) Nr. 870/95(3) erlassen. In Anbetracht der bisherigen Erfahrungen ist es möglich, eine Gruppe von Konsortialabsprachen zu definieren, die, auch wenn sie gegebenenfalls unter das Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG-Vertrag fallen, in der Regel die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 81 Absatz 3 EG-Vertrag erfüllen.
(3)
Die Kommission hat die besonderen Gegebenheiten des Seeschiffsverkehrs gebührend berücksichtigt. Diese Besonderheiten werden für die Kommission ein wichtiger Bewertungsmaßstab bei der Prüfung derjenigen Konsortien sein, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Gruppenfreistellung fallen.
(4)
Die in dieser Verordnung definierten Konsortien tragen im allgemeinen dazu bei, durch die Rationalisierung der Tätigkeiten ihrer Mitglieder und die Nutzung der Größenvorteile bei Schiffen und Hafenanlagen die Leistungsfähigkeit und Leistungsqualität der Liniendienste zu verbessern; ebenso tragen sie zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts bei, indem sie die Entwicklung und Verwendung von Containern und eine wirtschaftlichere Nutzung der Schiffskapazitäten erleichtern und fördern.
(5)
Die Nutzer der von Konsortien angebotenen Liniendienste können im allgemeinen einen angemessenen Gewinn aus den Vorteilen erzielen, die sich aus der Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Leistungsqualität ergeben. Diese Vorteile entstehen u. a. in Form häufigerer und besser abgestimmter Fahrverbindungen und Zwischenhalte sowie durch hochwertigere und stärker auf den Einzelbedarf zugeschnittene Leistungen aufgrund der Verwendung modernerer Schiffe, Hafenausrüstungen und sonstiger Anlagen. Die Verkehrsnutzer können jedoch nur in den Genuß dieser Vorteile gelangen, wenn in den Verkehrsgebieten der Konsortien ein hinreichender Wettbewerb herrscht.
(6)
Für derartige Vereinbarungen sollte eine Gruppenfreistellung deshalb nur gewährt werden, sofern sie den Beteiligten nicht die Möglichkeit eröffnen, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Verkehrsgebiete den Wettbewerb auszuschalten. Angesichts der sich ständig ändernden Bedingungen des Seeverkehrsmarkts und der Tatsache, daß die Klauseln der Konsortialvereinbarungen und das Vorgehen der Konsortien im Rahmen dieser Vereinbarungen häufig geändert werden, soll mit dieser Verordnung klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen die Gruppenfreistellung auf Konsortien Anwendung findet.
(7)
Ein für die Vorgehensweise der Konsortien wesentliches Merkmal besteht darin, daß bei der Einrichtung und dem Betrieb eines gemeinsamen Dienstes Kapazitätsanpassungen vorgenommen werden. Dies gilt jedoch nicht für die Nichtnutzung eines bestimmten Prozentsatzes der Kapazität der im Rahmen von Konsortien eingesetzten Schiffe.
(8)
Die mit dieser Verordnung gewährte Gruppenfreistellung erstreckt sich auf die Tätigkeiten der Konsortien sowohl innerhalb als auch außerhalb der Linienkonferenzen, jedoch nicht auf die gemeinsame Festsetzung von Frachtraten.
(9)
Die Festsetzung von Preisen fällt in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr(4), geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens. Die Mitglieder eines Konsortiums, die eine gemeinsame Festsetzung von Preisen wünschen und die nicht dieNr. 4056/86 erfüllen, müssen eine Einzelfreistellung beantragen.
(10)
Die Voraussetzungen für die Gruppenfreistellung sollen zuallererstsicherstellen, daß ein angemessenerAnteil an den Leistungsgewinnen und den übrigen durch die Konsortien erwachsenden Vorteile an die Verkehrsnutzer weitergegeben wird.
(11)
Dieses Erfordernis nach Artikel 81 Absatz 3 ist nur dann als erfüllt anzusehen, wenn auf ein Konsortium wenigstens einer der folgenden drei Sachverhalte zutrifft:
(12)
Um dieser Anforderung nach Artikel 81 Absatz 3 zu genügen, ist eine Voraussetzung vorzusehen, die auch den Wettbewerb bei der Dienstleistungsqualität zwischen den Mitgliedern der Konsortien untereinander und zwischen diesen und den anderen in dem Verkehrsgebiet oder in den Verkehrsgebieten tätigen Schiffahrtsunternehmen fördert.
(13)
Es ist eine Voraussetzung vorzusehen, wonach die Konsortien und ihre Mitglieder auf einer bestimmten Verbindung keine Differenzierung bei den Preisen oder den Beförderungsbedingungen aufgrund des Herkunfts- oder Bestimmungslandes der beförderten Güter vornehmen dürfen, damit nicht innerhalb der Gemeinschaft Verkehrsverlagerungen entstehen, die bestimmte Häfen, Verlader, Verkehrsunternehmen oder Hilfsgewerbe des Verkehrs benachteiligen würden, es sei denn, eine derartige Differenzierung wäre aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen zu rechtfertigen.
(14)
Außerdem sollten die Bedingungen gewährleisten, daß die Konsortien nur solche Wettbewerbsbeschränkungen vornehmen, die unerläßlich sind, um die eine Freistellung rechtfertigenden Ziele zu erreichen. Deshalb sollten die Konsortialvereinbarungen eine Bestimmung enthalten, wonach jeder Teilnehmer bei Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist das Konsortium verlassen kann. Bei hoch integrierten Konsortien und/oder Konsortien mit hohem Investitionsgrad sollte eine längere Kündigungsfrist vorgesehen werden, um die zu deren Bildung vorgenommenen umfangreichen Investitionen und die erhöhten Anforderungen an die Umstrukturierung beim Austritt eines Teilnehmers berücksichtigen zu können. Ferner sollte jedem Mitglied eines Konsortiums, das eine gemeinsame Vermarktungsstruktur unterhält, das Recht gewährt werden, bei Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist zur selbständigen Vermarktung überzugehen.
(15)
Die Freistellung ist auf Konsortien zu beschränken, die keine Möglichkeit eröffnen, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Dienstleistungen auszuschalten.
(16)
Im Hinblick auf eine Freistellung ist bei der Ermittlung des Vorhandenseins eines echten und wirksamen Wettbewerbs auf jedem der Märkte, auf denen ein Konsortium tätig ist, nicht nur der Direktverkehr zwischen den von ihm bedienten Häfen zu berücksichtigen, sondern auch der Wettbewerb durch andere Linienverkehrsdienste, die von Häfen ausgehen, die mit den Häfen des Konsortiums substituierbar sind, und gegebenenfalls der von anderen Verkehrsarten ausgehende Wettbewerb.
(17)
Die Gruppenfreistellung aufgrund dieser Verordnung wird nur unter der Voraussetzung gewährt, daß der Marktanteil des betreffenden Konsortiums auf jedem der Märkte, auf denen es tätig ist, eine bestimmte Größenordnung nicht übersteigt.
(18)
Für die an einer Konferenz beteiligten Konsortien ist ein geringerer Marktanteil vorzusehen, weil diese Beteiligung im Rahmen einer bereits bestehenden beschränkenden Vereinbarung erfolgt.
(19)
Es ist indessen angezeigt, für Konsortien, die zwar die in dieser Verordnung festgelegten Höchstwerte um einen bestimmten Prozentsatz überschreiten, in ihrem Verkehrsgebiet aber einen wirksamen Wettbewerb ausgesetzt bleiben, ein vereinfachtes Verfahren vorzusehen, um in den Genuß der Rechtssicherheit einer Gruppenfreistellung zu gelangen. Ein solches Verfahren muß es der Kommission gleichzeitig ermöglichen, eine wirksame Überwachung auszuüben und das Kartellverfahren zu vereinfachen.
(20)
Konsortien, die die Höchstwerte überschreiten, sollten jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Seeschiffsverkehrs durch eine Einzelentscheidung freigestellt werden können, sofern sie die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 EG-Vertrag erfüllen.
(21)
Diese Verordnung ist nur auf die zwischen den Mitgliedern eines Konsortiums geschlossene Vereinbarung anwendbar. Die Gruppenfreistellung erstreckt sich deshalb nicht auf die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zwischen Konsortien bzw. einem oder mehreren ihrer Mitglieder einerseits und anderen Seeschiffahrtsunternehmen andererseits. Sie zielt auch nicht auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen verschiedenen in demselben Verkehrsgebiet tätigen Konsortien oder auf die Mitglieder dieser Konsortien ab.
(22)
Die Freistellung ist mit bestimmten Auflagen zu verbinden. Damit die Verkehrsnutzer jederzeit von den Bedingungen der von den Mitgliedern eines Konsortiums gemeinsam wahrgenommenen Liniendienste Kenntnis erlangen können, muß ein Verfahren echter und wirksamer Konsultationen zwischen Konsortien und Verkehrsnutzern über die Tätigkeiten der Konsortien eingeführt werden. Mit dieser Verordnung soll auch klargestellt werden, was unter echten und wirksamen Konsultationen zu verstehen ist und welche Verfahrensschritte im Rahmen dieser Konsultationen zu befolgen sind. Es ist festzulegen, worin solche zwingenden Konsultationen, die sich auf die eigentlichen Tätigkeiten der Konsortien beschränken, bestehen.
(23)
Derartige Konsultationen können eine wirksamere und stärker auf den Bedarf der Verkehrsnutzer ausgerichtete Arbeitsweise der Liniendienste im Seeverkehr gewährleisten. Deshalb sollte für bestimmte, aus diesen Konsultationen gegebenenfalls entstehende Vereinbarungen eine Freistellung erteilt werden.
(24)
Für Zwecke dieser Verordnung ist der Begriff „höhere Gewalt” im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu verstehen.
(25)
Es ist angezeigt, die unverzügliche Mitteilung der Schiedssprüche und der Empfehlungen der Schlichter, denen die Parteien zugestimmt haben, an die Kommission vorzusehen, damit sie überprüfen kann, ob dadruch die Konsortien nicht von den Auflagen und Verpflichtungen gemäß der Verordnung entbunden werden bzw. ob gegen die Artikel 81 und 82 EG-Vertrag verstoßen wird.
(26)
Gemäß Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 479/92 sind die Fälle anzugeben, in denen die Kommission den Unternehmen die Gruppenfreistellung entziehen kann.
(27)
Elf Konsortien sind in den Genuß der Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 870/95 im Wege des in der Verordnung vorgesehenen Widerspruchsverfahrens gelangt, durch das die Kommission insbesondere überprüfen konnte, daß sie wirksamem Wettbewerb unterliegen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß sich die Umstände in einer Weise geändert hätten, daß diese Konsortien nicht mehr wirksamem Wettbewerb unterliegen. Diese Konsortien sollten daher weiterhin unter den in der vorliegenden Verordnung festgelegten Bedingungen vom Kartellverbot freigestellt sein.
(28)
In bezug auf Vereinbarungen, die aufgrund dieser Verordnung automatisch freigestellt sind, braucht kein Antrag nach Artikel 12 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 gestellt zu werden. Es steht jedoch den Unternehmen frei, im Fall begründeter Zweifel eine Erklärung der Kommission über die Vereinbarkeit ihrer Vereinbarungen mit dieser Verordnung zu beantragen.
(29)
Diese Verordnung steht der Anwendung von Artikel 82 EG-Vertrag nicht entgegen.
(30)
Im Hinblick auf das Auslaufen der Verordnung (EG) Nr. 870/95 ist es angebracht, eine neue Verordnung mit einer Erneuerung der Gruppenfreistellung zu erlassen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Fußnote(n):

(1)

ABl. L 55 vom 29.2.1992, S. 3.

(2)

ABl. C 379 vom 31.12.1999, S. 13.

(3)

ABl. L 89 vom 21.4.1995, S. 7.

(4)

ABl. L 378 vom 31.12.1986, S. 4.

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